Games: Mördersimulationen und Psychofallen?

Spielespass oder Psychofalle - Sendung über Videospiele des Senders PhoenixErneut müssen Videospiele als praktischer Sündenbock für soziale Missstände herhalten. So wurde im Zusammenhang mit der tragischen Schiesserei in Newtown die Darstellung verbreitet, dass der Täter den norwegischen Massenmörder Breivik als Vorbild gehabt haben soll und beim Schiessen jeden Toten zu einem Killscore aufaddiert hätte. Diese Meldungen gingen auf einen Bericht der CBS News zurück, welcher beschreibt, dass der Täter Adam Lanza vermutlich wie in einer Videogame-Fantasie gehandelt habe. Ebenso sollen Videospiele im Keller von Lanza gefunden worden sein, wo er zahllose Stunden allein in einem abgedunkelten Raum verbracht haben soll. Diese Meldung ist jedoch reine Spekulation und entbehrt einer faktischen Grundlage, wie sogar unterhalb des Berichtes steht:

Die Untersuchungen über das Motiv für die Schiesserei in Newtown sind noch nicht abgeschlossen und daher sind alle Aussagen über die Absicht des Täters reine Spekulation.

Dass dieser Bericht dann doch von so vielen anderen Medien aufgegriffen wurde, stimmt nachdenklich. In diesem GameRights-Artikel wurde das Thema bereits im Dezember behandelt.

In den USA, wo Videospiele derzeit unter anderem als Mördersimulationen bezeichnet werden, gibt es eine heftige öffentliche Diskussion, ob nun Waffen oder gewalthaltige Videospiele einen stärkeren Einfluss auf die hohe Rate der Tode durch Schusswaffen in den USA haben. So äusserte sich der republikanischen Senator Lamar Alexander in einem MSNBC-Interview, angesprochen auf die Forderungen nach genaueren Personenüberprüfungen für Waffenkäufer, mit einem Themenwechsel:

Ich denke, Videospiele sind ein grösseres Problem als Waffen, denn Spiele beeinflussen Menschen.

Mehr dazu in unserem Artikel USA: Game oder Gun Control?.

Auch die Tendenzen bei Berichterstattungen über Videospiele Aussagen aus einem Zusammenhang zu reissen, um Videospiele als Sündenbock darzustellen, scheint nach wie vor zum guten Ton in der öffentlichen Berichterstattung zu gehören. So in der Sendung Hart aber Fair im Ersten vom 4. Februar mit dem Titel Handy an, Hirn aus - wie doof machen uns Apple und Co.? : Gezeigt wurden Ausschnitte aus einem Interview mit Prinz Harry, der in Afghanistan als Bordschütze eines Kampfhubschraubers kämpft. Hart aber Fair zeigt dabei einen Ausschnitt, in dem Prinz Harry sagt:

Ich bin einer von diesen Leuten, die gerne PlayStation und Xbox spielen. Und ich liebe den Gedanken, dass ich mit meinen schnellen Daumen ziemlich nützlich bin. Da können Sie die Jungs fragen.

Die Aussage wird von den Diskussionsteilnehmern so behandelt, als wäre von einem Shooter-Spiel die Rede gewesen. Dass Prinz Harry aber eigentlich vom Fussballspiel FIFA gesprochen hatte, wurde bequemerweise weggeschnitten. Einen umfangreichen Bericht dazu gibt es hier. Diskussionsteilnehmer Josef Kraus - Präsident des Deutschen Lehrerverbandes - behauptet in der Sendung, dass viele Shooter-Spiele für militärische Zwecke entwickelt wurden sowie alle Amoktäter in Deutschland und Amerika exzessive Shooter-Spieler gewesen seien. Dabei handelt es sich um Falschaussagen - so gibt es kaum einen kommerziellen Ego-Shooter, der für militärische Zwecke entwickelt wurde und bei solch tragischen Ereignissen wie Massentötungen durch Schusswaffen gilt es, einen erweiterten Blick auf das psychologische Profil und das soziale Umfeld des Täters zu werfen sowie kulturelle Normen zu berücksichtigen. Weitere Kritik an der Sendung findet sich hier.

Ebenfalls zeigte der Sender Phoenix am 14. Februar die Dokumentation: Computerspiele kontrovers – Spielespass oder Psychofalle? Im letzten Drittel findet ein stereotypiertes Gespräch statt zum Thema Aggression und Videospiele. Lediglich die zum Gespräch eingeladene Psychologin differenziert und zeigt die Wichtigkeit der elterlichen Kontrolle auf. Schade, dass hier Potential für eine fundiertere Berichterstattung vergeben wurde. Der darauffolgende Teil der Sendung beschäftigt sich mit der Spielesucht und der Frage, ab welchem Punkt der Konsum von Videospielen zu einer Beeinträchtigung des Individuums führt.

All diese Beispiele von Berichterstattungen zeigen, wie festgefahren negative Meinungen über Videospiele in der Öffentlichkeit sind und dass Medienkompetenz in der heutigen Gesellschaft gerade für Erziehungspersonen eine sehr wichtige Fähigkeit ist. Eine sorgfältigere Recherche bei  Berichterstattungen über das Medium Videospiel wäre wünschenswert. An dieser Stelle möchten wir auf das Portal Jugend und Medien hinweisen, welches umfangreiche Informationen zum Thema Umgang mit digitalen Medien beinhaltet.

 

Unsere Bannerpartner: