"Der Bundesrat wird beauftragt (...) Spielprogramme zu verbieten, in denen grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen und menschenähnliche Wesen zum Spielerfolg beitragen." Der einleitende Text aus der Motion von Evi Allemann (SP) ist den Gamern mittlerweile hinlänglich bekannt. Mit populistischen Tiraden gegen ein junges Medium, welches von einer vorwiegend älteren (Polit)Generation offenbar nicht verstanden wird, sorgten ursprünglich vor allem Exponenten der Berner SP für Aufsehen. Spätestens seit der Annahme dieser Motion im Nationalrat wissen wir aber, dass auch Politiker anderer Parteien mit Ignoranz oder Unwissen dem Thema begegnen und so die Motion gewissermassen unbesehen abgesegnet haben.
Mit viel Effekthascherei und wenig bis keiner Kenntnis der Materie scheinen die Politiker hüben wie drüben punkten zu wollen. Gleichzeitig entdecken deren Parteien in ihrer Doppelmoral die junge Generation als potenzielles Stimmvolk und gehen mit zweifelhaften Spielchen auf Stimmenfang.
Jüngstes Beispiel ist die Abstimmung vom 7. März 2010 über die Anpassung der BVG Mindestumwandlungssatzes: So haben Befürworter wie Gegner der Initiative Online-Spiele lanciert. Einfache Flashgames mit einer Spieltiefe, neben denen sogar "Moorhuhn" noch einer Bedienungsanleitung bedarf. Während im Spiel der Initiativgegner, dem "Klept-O-Mat 9000", einfache Bürger vom Angriff gieriger FDP-Politiker in Form von Gerold Bührer oder Didier Burkhalter gerettet werden müssen, geht es auf der Gegnerseite, im Spiel der Befürwortern, gleich schlagkräftig zur Sache: So darf man wählen, ob man Gewerkschaftsbund-Präsident Paul Rechsteiner mit Pfefferspray oder gar mit der "ehrlichen Faust" ausser Gefecht setzen will. Gemäss einem Artikel zu diesem Thema auf 20 Minuten Online wollen die Initianten auf diese Weise bei der jungen Generation punkten:
"Das Internet ist für uns wichtig, weil wir junge Simmberechtigte erreichen wollen."
20 Minuten Online. 19.02.2010. http://www.20min.ch/news/dossier/abstimmungen/story/13615588
Das Beispiel dieser Onlinespielchen zeigt exemplarisch auf, wie gerne manche Politiker Wasser predigen und Wein trinken. Der älteren Generation der Wähler empfehlen sie sich mit ihrem kompromisslosen Feldzug gegen "Gewaltspiele", fordern moralisierend unter dem Deckmantel "Jugendschutz" Verbote und Zensur und gehen gleichzeitig bei ebendiesen jungen Wählern, die sie mit ihren Verbotsforderungen bevormunden wollen, mit sinnfreien Prügel- und Schiessspielchen wie "Minarett-Attack" oder den bereits erwähnten Flashgames auf Stimmenfang. Dieser politische Umgangston befremdet, zieht man in Betracht, dass von der jungen Generation wieder mehr Anstand und Respekt erwartet wird. Manch jugendlicher Stimmbürger wird sich fragen, woher wohl diese teils harschen Umgangsformen unter den Politikern kommen könnten und stellt fest: Wohl kaum von stundenlangem üben an ihren Bildschirmen.
"Wir werden in der VOX-Analyse nach der Abstimmung sehen, wie stark wir bei den Jungen mobilisieren konnten," wird Kampagnenleiter Adrian Michel auf 20Min zitiert. Die Parteien haben richtig erkannt: Junge Wählerinnen und Wähler sind je länger je weniger über klassische Inserate zu erreichen. Die Bedeutung des Internets hingegen hat massiv zugenommen. Zwangsläufig entdecken darum auch die Politiker allmählich die Möglichkeiten des Webs, legen fleissig Facebook-Profile an und partizipieren an Online-Foren. Ob der erhoffte Abstimmungserfolg letzten Endes auf die Gewaltspielchen oder nur einfach auf den richtig gewählten Kommunikationskanal zurückzuführen ist, wird wohl eine Frage der Interpretation bleiben.