Wie in einer kürzlich erschienen Medienmitteilung zu lesen ist, hat der Bundesrat die Botschaft und den Entwurf des neuen Mediengesetzes verabschiedet. Was steckt dahinter?
Die Geschichte
Vor gut 10 Jahren erschütterten School-shootings in Columbia, Erfurt, Emsdetten und an weiteren Orten die Öffentlichkeit. Darauf aufbauend wurden (auch) in der Schweiz zahlreiche Vorstösse eingereicht, die gewalthaltige Videospiele wahlweise strenger regulieren oder verbieten wollten. Um in der daraus resultierenden Debatte die Interessen der erwachsenen Gamerinnen und Gamer der Schweiz zu vertreten und der Öffentlichkeit aufgeklärten Jugendmedienschutz als Alternative zu Verbotsforderungen näher zu bringen, schlossen sich zahlreiche Betroffene zu GameRights zusammen.
Eine weitere Folge war, dass ein neues Mediengesetz auf den Weg gebracht wurde, das den Jugendschutz im Bereich Film/Fernsehen und Gaming sicherstellen soll. Wie wir an anderer Stelle schon berichteten, war GameRights beim Entstehungsprozess dabei, um die Rechte der erwachsenen Gamerinnen und Gamer in der Schweiz zu schützen und gleichzeitig für einen ehrlichen Jugendschutz zu sorgen. Es ist also kein Klischee: Die Mühlen der eidgenössischen Räte drehen langsam.
Der Inhalt
Der Gesetzesentwurf sieht für den Bereich Games mehrere Dinge vor, die GameRights seit Jahren fordert, unter Anderem:
- Schweizweit vereinheitlichte und gesetzlich verbindliche Altersangaben für den Verkauf
- Testeinkäufe (on- und offline) mit Minderjährigen, angelehnt an die geltenden Regelungen im Umgang mit Tabak und Alkohol
- Eine Bussenregelung für Geschäfte, die sich nicht an die Altersangaben halten
- Kein Verbot und keine Zensur von Games
Erfreulicherweise kommt der Bund mit dem Gesetzesentwurf auch der Forderung von GameRights nach, einen Schweizerischen Alleingang zu vermeiden. Das seit über einem Jahrzehnt international etablierte PEGI-System erfüllt die Kriterien zu Kennzeichnung von Computer- und Videospielen, wie der Bund sie im Gesetzesentwurf vorsieht, vollständig.
Die Kritik
Im Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse ist zu lesen: "Auch GameRights, der die Interessen der erwachsenen Videospielkonsumentinnen und -konsumenten vertritt, befürwortet die Vorlage. Das Gesetz schliesse eine erwiesene Lücke, indem es eine Lösung für einen fairen Jugendschutz offeriere, die weder kriminalisiere noch bevormunde und den Bedürfnissen der wichtigsten Anspruchsgruppen Rechnung trage." Von anderen Organisationen werden jedoch einige interessante Kritikpunkte aufgeführt, deren nähere Betrachtung sich lohnt.
Grundsätzliche Kritik
Laut dem erwähnten Bericht ist dieses Gesetz für die FDP "eine Regulierung der privatwirtschaftlichen Anbieter durch den Staat als unnötiger Eingriff und die Vorlage als eine Überregulierung zu qualifizieren." Die SVP ist gegen die Vorlage mit der Begründung, "dass die Schweizer Provider und Netzbetreiber nicht haftbar gemacht werden können, wenn das Elternhaus und die dortige Kontrolle versagen." Auch andere Parteien lehnen einzelne Artikel in der vorliegenden Form ab. So lehnt beispielsweise die SP den Artikel über die Altersklassifizierungssysteme mit der Begründung ab, dass "die Altersklassifizierungssysteme von den Akteuren des Film- und Videospielbereichs erarbeitet werden sollen. Es sei am Bundesrat bzw. am Eidgenössischen Departement des Innern, sich darum zu kümmern."
Insgesamt erfreulich zu lesen ist, dass an mehreren Stellen betont wird, wie wichtig die elterliche Aufsichtspflicht sei - vor 10 Jahren kein Thema.
Die E-Sport - Branche
Die wachsende E-Sport - Szene kämpft schon seit Anbeginn mit der Rechtsunsicherheit bei öffentlich vorgeführten Turnieren. Hier bringt der Gesetzesentwurf zwei wichtige Regelungen mit:
- Veranstalterinnen müssen bei Minderjährigen eine Alterskontrolle durchführen. Hat die minderjährige Person nicht das erforderliche Mindestalter, so müssen sie ihr den Zugang zum Film oder Videospiel verweigern. Es gelten folgende Ausnahmen (...):
- wenn sie (die Minderjährigen, d. Autor) in Begleitung einer volljährigen Person ist, die mindestens zehn Jahre älter ist als sie,
- sie das erforderliche Mindestalter um höchstens zwei Jahre unterschreitet, und
- der Film oder das Videospiel nicht erst für volljährige Personen freigegeben ist
- Veranstalterinnen von Videospielturnieren dürfen eine minderjährige Person an einem Turnier teilnehmen lassen, bei dem ein Videospiel gespielt wird, das der minderjährigen Person aufgrund ihres zu jungen Alters nicht zugänglich gemacht werden dürfte, sofern die schriftliche Einwilligung einer Inhaberin oder eines Inhabers der elterlichen Sorge vorliegt."
Damit wird für die Veranstalter nun eindeutig geklärt, wer an Turnieren teilnehmen und zusehen darf. Allerdings monieren verschiedene Parteien nicht zu Unrecht, dass das Gesetz noch zu viele Lücken aufweise und es damit die Rechtsunsicherheit zu wenig zu beseitigen vermag. So fehlen genauere Angaben zu Haftungsfragen, Meldepflichten oder Verantwortlichkeiten.
Übrigens: Die Conférence des festivals lehnt die Vorlage als Ganzes ab, da sie "für Filmfestivals ohne zusätzliche Ressourcen nicht umsetzbar sei.". Die Veranstalter von E-Sport - Events dürften darüber schmunzeln.
Suchtgefahren
Verschiedene Suchtverbände fordern an mehreren Stellen im Gesetz, dass für die Altersklassifizierung zwingend auch das Suchtpotenzial berücksichtigt und im Rahmen des Klassifizierungssystems transparent gemacht werden müsse. Ähnliches ist auch zum Risiko von Schuldenfallen (ingame-Käufe) oder Glücksspiel (Lootboxen) zu lesen.
Dazu stellt der Bundesrat in seiner Botschaft fest: "Tatsächlich kann von Videospielen ein gewisses Gefährdungspotenzial für ein Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen ausgehen. Allerdings ist die Forschungslage zu den suchtfördernden Faktoren gegenwärtig noch zu schwach, um Videospiele nach ihrem Suchtpotenzial klassifizieren zu können." GameRights kann diesbezüglich ohnehin Entwarnung geben: PEGI kennt schon seit Längerem Kennzeichnungen für ingame-Käufe und Glücksspiel-Elemente. Ob Jugendliche von einem konkreten Game süchtig werden hängt vom Einzelfall ab - womit wir wieder bei der elterlichen Aufsichtspflicht sind.
Onlineangebote
Ebenfalls an mehreren Stellen kritisiert wird, dass Onlineangebote kaum zu kontrollieren seien, gerade wenn die Dienste von Unternehmen mit Sitz im Ausland angeboten würden. Der Bundesrat möchte diesem Problem begegnen, indem ein mit der EU koordiniertes Vorgehen angestrebt wird, sodass in der Schweiz diesbezüglich keine "Regulierungsinsel" entsteht.
Dass die vorgesehenen Rechtsgrundlagen für Dienste wie Google Play, Steam, Epic Store, usw. schwer durchzusetzen sind, lässt sich nicht völlig von der Hand weisen. Es ist anzunehmen, dass die Bundesversammlung diesbezüglich noch an der einen oder anderen Schraube drehen wird. Allerdings schreibt die SIEA (Swiss Interactive Entertainment Association) treffend, "es sei gar nicht möglich, eine absolute Kontrolle der gezeigten Inhalte sicherzustellen, daher verbleibe die tatsächliche Anwendung des bereitgestellten Kontrollsystems in der Verantwortung der Eltern." Dem hat GameRights nichts hinzuzufügen.
Das Fazit
Nicht ohne Stolz freut sich GameRights, dass hiermit gewissermassen der Vereinszweck in ein Gesetz gegossen wird: Der Verein setzt sich gegen allfällige Verbote von Games und inhaltliche Zensur ein und strebt die Verwirklichung eines effektiven und angemessenen Jugendschutzes an. Der Verein nimmt zu diesem Zweck aktiv an der öffentlichen Meinungsbildung teil und beteiligt sich aktiv in allfälligen Gesetzgebungsverfahren.
Vorausgesetzt, das Gesetz wird ohne gravierende Änderungen angenommen, erhalten die Erziehungsberechtigten mit dem bewährten PEGI-System endlich angemessene Unterstützung, um ihre Erziehungsverantwortung im Bereich Games effektiv wahrnehmen zu können. E-Sport Veranstalter erhalten eine höhere Rechtssicherheit, was öffentlichen Veranstaltungen in diesem Bereich Vortrieb geben dürfte. Erwachsene Gamerinnen und Gamer werden dabei nicht drangsaliert oder mit Verboten und Zensur gegängelt.
Und wenn wir auf diesem Weg weitergehen und Videogames den verdienten Platz in der Mitte der Gesellschaft zugestehen, wird eines Tages vielleicht auch die NZZ lernen, dass der eher peinliche Ausdruck "Killer-Games" in ihren journalistischen Ergüssen nichts mehr verloren hat.