Update Game-Gesetz: Finale Fassung liegt vor

  • Peter
  • 24. Oktober 2022
  • Politik
  • 27295

Am 26. August haben wir über den Zwischenstand des "Bundesgesetzes über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele" berichtet (Link). Das Gesetz wurde seither im Bereich Games nochmals abgeändert und in dieser Form von beiden Räten angenommen.

Das neue JSFVG liegt nun in final vor (Link) und tritt, vorbehältlich eines Referendums, am 19. Januar 2023 in Kraft. Wir fassen für euch die wichtigsten Punkte im Themenbereich Gaming zusammen.

 

Verkauf von Games

Das Gesetz sieht vor, dass bis spätestens in zwei Jahren schweizweit verbindliche Alterskennzeichnungen vorliegen müssen. GameRights geht aktuell davon aus, dass die Schweiz - wie viele europäische Länder - den PEGI-Standard übernehmen wird.
Diese Alterskennzeichnungen sind neu für die Händler gesetzlich verbindlich: Die Kantone dürfen Testeinkäufe durchführen und fehlbare Händler werden gebüsst.

Wichtig: Organisatoren von Lan-Partys oder Turnieren sind von diesem Teil des Gesetzes nicht betroffen: Ein Kanton darf also nicht testweise versuchen, Minderjährigen Zutritt zu einer +18 - Lan zu verschaffen und die Organisatoren bei Nichteinhaltung büssen.

Dass die Durchsetzung dieses Gesetzes für Online-Käufe eine besondere Herausforderung darstellt, ist den Räten bewusst und wurde in jeder Parlamentsdebatte thematisiert. Das JSFVG sieht nun vor, dass die Anbieterinnen von Plattformdiensten mindestens folgende Massnahmen einleiten müssen:

- die Einrichtung und den Betrieb eines Systems zur Alterskontrolle vor der erstmaligen (sic!) Nutzung des Dienstes
- die Einrichtung und den Betrieb eines Systems, mit dem die Nutzerinnen und Nutzer dem Plattformdienst Inhalte melden können, die für Minderjährige nicht geeignet sind.

Die Formulierung "vor der erstmaligen Nutzung" ist interessant: So muss die Altersprüfung beispielsweise nur für die erstmalige Einrichtung eines Steam-Accounts erfolgen, nicht für jeden Kauf einzeln. Für uns Gamer ist das deutlich zweckmässiger, als für jeden Kauf einzeln ein Prüfungsverfahren durchlaufen zu müssen.
Dem Gesetzgeber ist bewusst, dass Online-Verkäufe kaum 100% zu kontrollieren sind. Mit einer gewissen "kriminellen Energie" lassen sich die Gesetze deutlich einfacher unterlaufen als im Offline-Handel. Die Räte sind zum Schluss gekommen, dass dieser Gesetzestext selbst wenig dazu beitragen kann, das Unterlaufen des Gesetzes zu verhindern (eine Einschätzung, die GameRights auch von zahlreichen Gamern rückgemeldet bekommt). Neu ist stattdessen, dass das aktive Unterlaufen des Gesetzes verfolgt werden kann.

 

LAN-Partys, eSport-Turniere

Siehe dazu unseren letzten Artikel (Link). In der Differenzbereinigung wurde nochmals über einige Punkte diskutiert, am Ende folgten die Mehrheiten dem ersten Entwurf, wodurch seit unserem Artikel keine Anpassungen für LAN-Party - Veranstalter vorgenommen wurden.

 

Nicht in das Gesetz aufgenommen

National- und Ständerat diskutierten in der Differenzbereinigung über weitere Themen, die schlussendlich aber nicht ins Gesetz aufgenommen wurden. Sie sollen an dieser Stelle nur kurz umrissen werden:

Mikrotransaktionen

Bereits im Frühjahr 2021 votierte Nationalrat Matthias Aebischer (SP) dafür, Mikrotransaktionen in das Gesetz aufzunehmen: Kinder und Jugendliche sollen vor In-App-Käufen ausreichend geschützt werden. Im Rahmen der Differenzbereinigung wurde dieser Ansatz nicht weiterverfolgt, die wichtigsten Gegenargumente:

- Mikrotransaktionen fallen nicht unter den Zweck des Gesetzes, in dem es "nur" um Inhalte von Games und Filmen geht
- Die Game-Branche entwickle sich rasant. Ein Gesetz solle deshalb nicht derart feingranulare Regelungen vorsehen, die wohlmöglich schon morgen veraltet seien
- Für In-App-Käufe benötigten Minderjährige Zugriff auf Bankkonten und Kreditkarten. Diese "Zugriffe" würden bereits durch Erwachsene genehmigt oder verweigert, was als Schutzmassnahme ausreichend sei
- Die Suchtgefahr wurde nicht bestritten. Dafür sollen aber die bestehenden Instrumente der Suchtprävention genutzt werden. Eine Aufnahme in das vorliegende Gesetz würde Doppelspurigkeiten und Unklarheiten bei den kantonalen Kompetenzen auslösen.

Branchenorganisation

Das Gesetz sieht die Einrichtung einer Branchenorganisation vor, deren Zweck der Jugendschutz ist, und die gesamtschweizerische Anlaufstelle für Anliegen und Beanstandungen im Bereich Jugendschutzregelung ist. In der finalen Fassung hat diese Branchenorganisation "für die Erarbeitung der Jugendschutzregelung Expertinnen und Experten [beizuziehen]". 
Diskutiert wurde, ob die Organisation permanent durch Expertinnen und Experten ergänzt sein müsste. Diese Idee fand keine Mehrheit.

"10-Jahre-älter-Klausel"

Abschnitt 1, Art. 7, Abs. 2a schreibt in der finalen Fassung unter Anderem vor, dass Veranstalterinnen Minderjährigen den Zugang zu Videospielen ermöglichen dürfen, wenn "[die Person] in Begleitung einer volljährigen Person ist, die mindestens zehn Jahre älter ist als sie (...)".

Eine Minderheit beantragte, den Teil "mindestens 10 Jahre älter als sie" ersatzlos zu streichen. Es sei nicht einzusehen, warum eine 18 Jahre alte Person in jeder Hinsicht als erwachsen gälte, in diesem Gesetz aber nicht. So müsse an gewissen Veranstaltungen ein 17-Jähriger durch einen mindestens 27-Jährigen begleitet werden. Der Antrag fand keine Mehrheit.

GameRights bedauert diese Entscheidung, da sich die aktuelle Regelung gerade an LAN-Partys im Grunde nicht umsetzen lässt. s. dazu auch unseren letzten Artikel (Link).

 

Fazit

Um das neue JSFVG einordnen zu können ist es wichtig, sich die Historie bewusst zu machen: Nach der schrecklichen Häufung der "School-Shootings" um 2008-2010 (Virginia Tech, California High, Erfurt, Emsdetten, Winnenden) brach in der politischen Schweiz - wie in vielen anderen Ländern - politischer Aktivismus aus: National- und Ständeräte brachten zahlreiche Motionen und parlamentarische Initiativen ein. Eine Auswahl:

- Motion 09.3422: Herstellung und Handel von "gewaltbeinhaltenden" Games soll verboten werden
- Standesinitiativen Luzern, Fribourg, Tessin, St. Gallen: Herstellung und Handel von "gewaltbeinhaltenden" Games soll verboten werden
- Parl. Initiative Donzé: Einrichtung einer Bundesprüfstelle für die Beurteilung von Gameinhalten
- Motion Amherd: Einrichtung nationales Kompetenzzentrum zur Einrichtung eines eidgenössischen Altersklassifizierungssystems
- Parl. Initiative Grin: Verbot von gewaltbeinhaltenden Games
- (uvm.)

Diese Vorstösse führten letztendlich zur Gründung der Vereinigung GameRights. Mit dem neuen JSFVG sollten all diese Vorstösse und Initiativen behandelt werden. Das extrem langsame Schweizer Politsystem spielte an dieser Stelle seinen grössten Vorteil aus: Bis zum Beginn der Verhandlungen über das Gesetz (2021) war der "populistische Pulverdampf" verflogen, Forderungen nach Totalverboten oder sehr massiven Verkaufseinschränkungen fanden nicht einmal ansatzweise Mehrheiten. In diesem Sinne lässt sich zusammenfassen:

Ja, das Gesetz bringt gewisse Einschränkungen für viele Akteure der Videospiel-Branche. Der Gesetzgeber verzichtet aber auf weitgehende Verbote, die uns Konsumentinnen und Konsumenten über Gebühr bevormunden. Lan-Partys, Turniere, Messen, etc., sind weiterhin und ohne massive Einschränkungen möglich. In Anbetracht der ursprünglichen Ausgangslage ist das alles andere als selbstverständlich und in der Summe ein grosser Erfolg für uns Gamer!

 

In den Statuen von GameRights heisst es zum Vereinszweck: "Der Verein setzt sich gegen allfällige Verbote von Games und inhaltliche Zensur ein und strebt die Verwirklichung eines effektiven und angemessenen Jugendschutzes ein."

Nicht ohne Stolz dürfen wir wohl sagen: Der Vereinszweck ist nach fast 15 Jahren Arbeit in Gesetz gegossen!

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